Inge Meysel

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Inge Meysel war eine deutsche und bisexuelle Schauspielerin, welche relativ frühzeitig in ihrer Nachkriegskarriere den Titel "Mutter der Nation" zugeschrieben bekam.
Zu ihrer Bisexualität hatte sie sich mehrfach geäußert[1], allerdings selten so eindeutig, wie im Februar 1992. Wobei es nicht der schön prägnante Satz war, welcher ihr anschließend von verschiedenen Seiten untergeschoben wurde: 'Ich war bisexuell, ich, die Mutter der Nation' [2], und auf den ihre Aussage durch Bild [3] und FAZ letztlich reduziert / umgedichtet wurde. Inge Meysel's Aussage hatte etwas mehr Inhalt/Kontext.

Während der Sendung 'Auf der Couch' mit Senta Berger als Gästin und Wieland Backes als Moderator[4], erschien Inge Meysel als Überraschungsgästin und in dem darauf folgenden Gespräch fand der unten zitierte Teil-Dialog statt (ungekürzt, ohne Applaus).
Anmerkung zum Dialog: Rosa von Praunheim hatte am 10. Dezember 1991, ungefragt Alfred Biolek und Hape Kerkeling im TV als Schwul geoutet.[5]


Backes: 'Nun gehört auch Rosa von Praunheim zu ihren Freunden?!"
Meysel: "Ja"
Backes: "Der hatte hier seinen großen Outing- Auftritt in diesem Haus."
Meysel: "Das habe ich gehört, ich habe ihn leider nicht gehört."
Backes: "Was sagt denn seine Bekannte Inge Meysel dazu?"
Meysel: "Ich werde Ihnen etwas sagen. Ich finde es großes Unrecht, daß ein Mensch andere Menschen der Öffentlichkeit preisgibt, die nicht preisgegeben werden wollen. Das ist einfach..., das ist einfach eine Gemeinheit für mich. Und das werde ich ihm sagen, wenn ich ihn sehe.
Ich glaube, das er etwas aufreißen will. Er will diese wahnsinnige Borniertheit und Enkheit um die Schlafzimmer aufreißen. Dabei ist das doch völlig egal. Jeder hat sein eigenes Schlafzimmer.
Es gibt Lesben, es gibt Homosexuelle und es gibt Normale und es gibt Bi-Leute, die haben eigentlich das Meiste davon, die lernen dann wenigstens alles kennen.
Ich bin der Meinung, wenn ich einen Namen preisgebe, dann rufe ich vorher an und sage: 'Du hör mal, das würde aber sehr gut sein und es würde auch der Bevölkerung gut tun, wenn sie mal hört, wer alles so oder so ist.' Ich persönlich würde gar nicht drauf kommen, meinen Namen zu nennen. Es genügt, das ich sagen kann: 'Ich war Bisexuell', aus! So, nun macht mit mir, was ihr wollt! Die Mutter der Nation.
Quelle: ARD-Sendung 'Auf der Couch' vom 27.02.1992, Gespräch zwischen Inge Meysel und Wieland Backes

Leider machte Inge Meysel unabsichtlich wenige Jahre später, mit einer unüberlegten Äußerung, die gleiche 'Gemeinheit' und outete ihren langjährigen Freund und Tagesschau-Sprecher Wilhelm Wieben. [6]

In einem Interview mit Alice Schwarzer vom Januar 1987[7] deutete sie bereits etwas Ähnliches zu ihrer Bisexualität an:

Männer waren gestrichen, bis 21, dann ist es doch noch passiert. Aber da hatte ich schon längst eine Liebesbeziehung zu einer Frau. Mit einer Kollegin.

Zu Inge Meysel gibt es zur Zeit 3 Biographien. Eine von ihr selbst geschrieben[8], eine autorisierte und nicht von ihr verfaßte[9] und eine nicht-autorisierte und auch nicht von ihr verfaßte. Zwei davon befinden sich im Bi(-/+)Archiv.
Darüber hinaus wurde Inge Meysel mehrfach interviewt und diese Interviews sind überwiegend frei zugänglich. Zu ihrer Kindheit vor dem 12 Jahre dauernden 1.000-jährigem Reich (Inge Meysel), während dessen und danach. Als sogenannter Mischling / Halbjüdin wurde sie mit Berufsverbot belegt und mußte einige andere Schikanen ertragen. Ihr Vater (Jude), zu dem sie ein sehr inniges Verhältnis hatte, überlebte nur knapp.

Inge Meysel war eine sehr politische und relativ streitlustige Person, die schnell auf 180 war. Wer ihr allerdings nicht paroli bieten konnte, war schnell unten durch.
Bewundernswert war ihr Optimismus. Sie suchte sich stets das Positive in einer Situation, egal, wie mies der Rest gewesen ist.
Zum Ende ihres Lebens war die Liste der Schauspieler_ und Schauspieler_innen, die nicht mehr mit ihr spielen wollten, trotzdem schon recht umfangreich geworden.

[ Mac ]

3 Archivalien zum Begriff 'Inge Meysel'

  1. ARD-Sendung 'Auf der Couch' vom 27.02.1992; Typ: Film
    ... Ihnen etwas sagen. Ich finde es großes Unrecht, daß ein Mensch andere Menschen der Öffentlichkeit preis gibt, die nicht preisgegeben werden wollen. Das ist einfach eine Gemeinheit für mich. Und das werde ich ihm sagen, wenn ich ihn sehe. Ich glaube, das er etwas aufreißen will. Er will diese wahnsinnige ...
    Archivale aufrufen (Online noch nicht freigegeben!)
  2. BiJou 34 - Bisexuelles Journal, Ausgabe 34, 07/2019; Typ: Publikation
    ... Bi- und Pansexualität in der Belletristik (Bücher mit Bi+-Charakteren) - ILGA Europe Conference (24.–27. Oktober 2018 in Brüssel) - Treffen bisexueller Menschen (Oberelsbach und Meschede) - Zu Besuch beim Toronto Bisexual Network (Bunte Welt in Kanada) - Wo ...
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  3. taz- Artikel 'Bitte nicht bi oder verheiratet'; Typ: Publikation
    "Huch, wie ist das passiert?" Eine Lesbe verliebt sich in einen Mann. Eine Hetera verliebt sich in eine Frau. Das soll's nicht geben. Dagmar Schediwy über Erfahrungen von bisexuellen Frauen in der homosexuellen Szene.
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Fußnoten / Einzelnachweise

  1. Der Spiegel: 'Heißer Stuhl' (Nr. 23/1975)
  2. "Ich war bisexuell, ich, die Mutter der Nation"
  3. Bild, Ausgabe vom 24.02.1992, 'Selbst-Outing in der ARD-Show "Auf der Couch". Inge Meysel (81) offenbart ihre Bisexualität'
  4. ARD-Sendung 'Auf der Couch', Mitschnitt vom 27.02.1992
  5. Queer.de, "Sowas machen nur Schweine": 30 Jahre Promi-Outing, Artikel vom 10.12.2021
  6. Die Zeit, Ausgabe 36/2008, Artikel: 20 Uhr
  7. emma 01/1987, Interview mit Inge Meysel
  8. Inge Meysel, 'Frei heraus - Mein Leben', 1991
  9. Sabine Stamer, 'Inge Meysel - Ihr Leben', 2004

letzte Bearbeitung: 15.09.2023