Gelistet im:
Bi(-/+) Archiv
Broschüren, Studien, Flyer, Photo's, Zeitschriften, Filme, Bücher zum Thema Bisexualität / Multisexualität
Wilhelm Fließ
Dr. med. Wilhelm Fließ hatte eine besondere Beziehung zu Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse. Ihre Freundschaft und berufliche Zusammenarbeit hatte Einfluß auf die Entwicklung einiger Ideen und Theorien im Bereich der Sexualität und Psyche.
Bisexuelle Phasentheorie: In seinen Briefen und Schriften diskutierte Fließ die Idee einer "bisexuellen Phase"[1] in der Entwicklung der menschlichen Sexualität. Er argumentierte, dass die menschliche Sexualität in einem breiten Spektrum von Orientierungen existiert, von heterosexuell bis homosexuell. Diese Idee kann als eine der frühesten Ansichten betrachtet werden, die die Vielfalt der sexuellen Orientierungen und Identitäten in Betracht zieht.
Sexuelle Theorien in der Psychoanalyse: Fließ Einfluß auf Freud und dessen Psychoanalyse zeigte sich auch in den Diskussionen über Sexualität. Ihre Zusammenarbeit führte zu der Auffassung, dass die Psychoanalyse in ihren Anfängen sehr auf die Sexualität als treibende Kraft in der menschlichen Psyche fokussiert war. Obwohl ihre Ansichten nicht unbedingt spezifisch bisexuell waren, trugen sie zur Entwicklung der modernen Theorien über menschliche Sexualität bei.
Psychosexuelle Entwicklung: Fließ Ideen über die psychosexuelle Entwicklung und die Entstehung von sexuellen Konflikten beeinflußten die Arbeit von Freud. Die psychosexuelle Entwicklungstheorie, wie sie von Freud entwickelt wurde, betont, wie Kindheitserlebnisse die sexuelle Entwicklung und Identität prägen. Dies kann in gewisser Weise als Vorläufer für die modernen Diskussionen über die Entwicklung von sexuellen Orientierungen betrachtet werden, einschließlich der Bisexualität.
Obwohl Wilhelm Fließ nicht speziell für seine Arbeit im Bereich der Bisexualität bekannt ist, hinterließ er dennoch einen historischen Einfluß auf die sexuelle Theorie und Psychoanalyse, die indirekt einige der grundlegenden Konzepte und Fragen im Zusammenhang mit sexueller Identität und Orientierung berührte.
Fließ stellte 1899 in einem Gespräch mit Sigmund Freud die These auf, daß grundsätzlich alle Menschen Bisexuell wären[2].

© Gemeinfrei
Um einen neuen Organismus aufzubauen und zu einem neuen Komplex von Zellteilungen fähig zu sein, brauchen sie aber die Gesamtmenge von männlicher und weiblicher Keimsubstanz mit der vollständigen Chromosomenzahl.
Die erhalten sie durch die Vereinigung der beiden „reifen“ Keimzellen.
Da aber jede von diesen beiden Männliches und Weibliches in den neuen Bau einbringt, so besitzt das neue bilaterale doppelgeschlechtige Wesen auch zwei männliche und zwei weibliche Geschlechtsorgane (rechts und links): nur die des einen Geschlechtes schließlich rudimentär entwickelt, obwohl sie in der Anlage zu einer Zeit des Embryonallebens anscheinend gleichen Formenwert hatten.
Diese These wird seither Sigmund Freud zugesprochen, obwohl dieser dem selbst mehrfach widersprochen hat.[3] [4] [5] [6] [7]
Im Sommer dieses Jahres erklärte ich einmal meinem Freunde Fl. [Wilhelm Fließ, Anm. Bi(-/+) Archiv], mit dem ich in regen Gedankenaustausch über wissenschaftliche Fragen stehe: Diese neurotischen Probleme sind nur dann zu lösen, wenn wir uns ganz und voll auf den Boden der Annahme einer ursprünglichen Bisexualität des Individuums stellen. Ich erhielt zur Antwort: Das habe ich dir schon vor zwei Jahren in Br. gesagt, als wir jenen Abendspaziergang machten. Du wolltest damals nichts davon hören. Es ist nun schmerzlich, so zum Aufgeben einer Originalität aufgefordert zu werden. Ich konnte mich an ein solches Gespräch und an diese Eröffnung meines Freundes nicht erinnern. Einer von uns beiden mußte sich da täuschen. Nach dem Prinzip der Frage: cui prodest? mußte ich das sein. Ich habe mich im Laufe der nächsten Wochen in der Tat an alles so erinnert, wie mein Freund es in mir erwecken wollte. Ich weiß selbst, was ich damals zur Antwort gab: "Dabei halte ich noch nicht. Ich will mich darauf nicht einlassen." Aber ich bin seither um ein Stück toleranter geworden, wenn ich irgendwo in der medizinischen Literatur auf eine der wenigen Ideen stoße, mit denen man meinen Namen verknüpfen kann, und wenn ich dabei die Erwähnung meines Namens vermisse.
Anzumerken ist noch, daß es bei der erwähnten These um die 'Doppelgeschlechtlichkeit' ging und nicht um die sexuelle Orientierung. Also um das grundsätzliche Vorhandensein von weiblichen und männlichen Fortpflanzungsorganen im mehrgeschlechtlichem Lebewesen.
die Geschichte dieser wissenschaftlichen Materie zu werfen, wobei wir drei gesonderte Gebiete unterscheiden müssen, zum ersten das Problem der menschlichen Doppelgeschlechtlichkeit überhaupt, dann das des sich auf beide Geschlechter erstreckenden sexuellen Triebes — für diese beiden keineswegs identischen Phänomene hat man dasselbe Wort Bisexualität geprägt, eine Quelle vieler Mißverständnisse und Meinungsdifferenzen
Und die These ist auch gar nicht mehr so neu im Jahr 1899, denn Charles Darwin kam bereits 1893 in seinem Werk[8] zu einem ähnlichen Schluß, verwendete dabei aber nicht das Wort "Bisexualität".
Wir sehen, daß in vielen, wahrscheinlich in allen Fällen die sekundären Charaktere jedes Geschlechts schlafend oder latent in dem entgegengesetzten Geschlecht ruhen, bereit, sich unter eigentümlichen Zuständen zu entwickeln."
Die oben erwähnte These mag an sich richtig sein, sollte aber kein Anlaß sein, sie auch gleich auf die sexuelle Orientierung auszuweiten. Denn dieser Beweis wurde bisher noch nicht erbracht.
4 Archivalien zum Begriff 'Wilhelm Fließ'
- Der Ablauf des Lebens. Grundlegung zur exakten Biologie.; Typ: Buch
... gebunden ist: der männlichen, deren einfachster Verband genau 23, und der weiblichen, deren Einheit 28 Tage Lebenszeit besitzt. Und weil gar kein Leben möglich ist ohne das Vorhandensein beider Substanzen, von denen allein die Geschlechtscharaktere abhängen, so muss jeder Träger des Lebens dauernd doppelgeschlechtig sein. Die Betrachtung der Welt des ...
Archivale aufrufen (Online noch nicht freigegeben!) - Der Zeitgeist, Beilage zum "Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung" (05.02.1906); Typ: Publikation
... der Theorie '... einer ursprünglichen Bisexualität des Individiums ...'. Er zitiert dabei eine Textpassage aus der Arbeit von Prof. Dr. Sigmund Freud "Zur Psychopathologie des Alltagslebens" (das Vergessen, das Versprechen, das Vergreifen), welche 1901 im "Zentralblatt für Neurologie und Psychatrie" veröffentlicht wurde. „Im Sommer dieses Jahres erklärte ich einmal ...
Archivale aufrufen - Vom Leben und vom Tod; Typ: Buch
... kraft deren die Zeiten des Geborenwerdens und Sterbens, des Wachsens und Vergehens ihren festen und vorbestimmten Platz in der uns genau zugemessenen Lebensdauer einnehmen. Diesen Neuerwerb unseres Wissens hinauszutragen über den engen Bezirk der Fachwissenschaft, soll die erste Aufgabe der biologischen Vorträge sein. Deshalb war es geboten, von den rechnerischen ...
Archivale aufrufen (Online noch nicht freigegeben!) - Zur Psychopathologie des Alltagslebens.; Typ: Buch
Über das Vergessen, Versprechen, Vergreifen, Aberglaube und Irrtum Durchgesehender und vermehrter Abdruck aus der Monatsschrift für Psychatrie und Neurologie, BD. X. 1901
Archivale aufrufen
Fußnoten / Einzelnachweise
- ⇫ Die Idee einer "bisexuellen Phase" wurde von Wilhelm Fließ in seinen Briefen und Schriften diskutiert, und sie bezieht sich auf eine Phase in der menschlichen Entwicklung, in der die sexuelle Orientierung als fluide oder vielfältig betrachtet wird. Fließ argumentierte, dass die menschliche Sexualität nicht auf eine ausschließliche Anziehung zu einem Geschlecht beschränkt ist, sondern dass Menschen während bestimmter Entwicklungsphasen in der Lage sind, sich zu verschiedenen Geschlechtern hingezogen zu fühlen.
Die Idee von Fließ der "bisexuellen Phase" wird heute nicht als wissenschaftlicher Konsens oder akzeptierte Theorie betrachtet. Seine Theorien und Ansichten wurden von vielen Experten und Forschern kritisiert. Moderne Forschung zur menschlichen Sexualität und sexuellen Orientierung hat eine komplexere Sichtweise auf diese Themen entwickelt und betont die Vielfalt der sexuellen Orientierungen und Identitäten, die nicht zwangsläufig auf Entwicklungsphasen reduziert werden können.
In der heutigen Zeit wird die sexuelle Orientierung eher als eine tief verwurzelte und stabile Eigenschaft betrachtet, die nicht notwendigerweise während einer bestimmten Phase im Leben schwankt. Die Idee der "bisexuellen Phase" ist historisch interessant, zeigt jedoch nicht den aktuellen Stand der Forschung und des Verständnisses von Bisexualität und sexueller Orientierung.
- ⇫ Fließ, Wilhelm; Der Ablauf des Lebens. Grundlegung zur exakten Biologie., Deuticke, Leipzig / Wien, 1906
- ⇫ Zentralblatt für Neurologie und Psychiatrie, 1901, 'Zur Psychopathologie des Alltagslebens' - (das Vergessen, das Versprechen, das Vergreifen)
- ⇫ Zur Psychopathologie des Alltagslebens (Über das Vergessen, Versprechen, Vergreifen, Aberglaube und Irrtum), Berlin, 1904, S. 43, Absatz e)
- ⇫ Zur Psychopathologie des Alltagslebens (Über das Vergessen, Versprechen, Vergreifen, Aberglaube und Irrtum), Berlin, 1907, S. 63, Absatz e)
- ⇫ Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung; 05.02.1906, S. 13, 'Die jüngste Plagiatsaffäre.' (Fließ - Weininger - Swoboda.), Beilage: 'Der Zeitgeist'
- ⇫ Freud, Sigmund, Aus den Anfängen der Psychoanalyse: Briefe an Wilhelm Fliess, Abhandlungen und Notizen aus den Jahren 1887 - 1902, 1950, Brief Nr. 146 vom 19.09.1901, S. 46
- ⇫ Das Variieren der Pflanzen und Tiere im Zustande der Domestikation, Band 2, Stuttgart, 1893, S. 59